Was wollen wir uns selbst im Angesicht des Untergangs erzählen? Dass wir uns verwählt haben? Dass eine Generationenfolge von infantilen Schlaumeiern zu nichts Besserem führen konnte? Dass wir bis jetzt bei jeder Regierung dachten, es könne nicht schlimmer kommen?
Dann schauen wir auf jüngere Generationen und befürchten, dass die Verblödung noch weiter voranschreitet. Doch welches Vorbild geben wir denn ab? Es ist in den Reihen der Erwachsenen scheinbar niemand mehr erwachsen geworden. Und dann wollen wir der missratenen Jugend erzählen, dass sie sich in der Schule anstrengen sollen, etwas lernen und studieren, aber wozu? Leben es Erwachsene nicht völlig anders vor? Müssten wir den jungen Menschen nicht lieber das Folgende sagen:
Ihr habt keinen Bock auf Schule oder wollt das Studium schmeißen, vielleicht bei der Masterthesis schummeln? Kein Problem, denn ein Parteivorsitz ist irgendwo allemal drin.
Ihr habt dauerhaft ein Fiepen im Ohr, Schmerzen im Rücken und Kratzen im Hals? Für Hypochonder winkt der Posten als Gesundheitsminister. Gern auch als in Grundrechenarten eher minderbegabter Bankkaufmann. Ihr könnt weder Deutsch fließend, noch ist euer Englisch »the yellow of the egg«? Im Außenministerium suchen wir noch Leute. Liebe Kinder, Ihr könnt bei völliger Ahnungslosigkeit im Kompetenzvakuum auf einem Einhorn zum Erfolg reiten. In der Bunten Republik Deutschland ist alles möglich, wenn ihr wollt, und alles liegenlasst, was irgendwie doof und anstrengend ist. Die neuen »Erwachsenen« laden infantile Videos auf TicToc hoch, twittern Schwachsinn, wobei Peinlichkeit zur Tugend wird und Beliebigkeit, Niveaulosigkeit und Einfalt zu Werten mutieren. Als Randnotiz erzählen wir den jungen Menschen noch immer die Geschichte von einem aufrecht stehenden Luther, der mit stolzgeschwellter Brust vor einem krumm hockenden Kaiser sagte: »Hier stehe ich, ich kann nicht anders.« Heute grenzen wir solche Querköpfe aus und scheuen echten, erwachsenen Diskurs. Und aus purer Angstbegeisterung raubten wir unseren Kindern wichtige Jahre ihres jungen Lebens. Wenn den neuen Erwachsenen etwas an anderen nicht passt, dann rufen sie die Sprachpolizei, die Gesinnungspolizei oder gehen zum Jammern in die dritte Toilette und wenn dann wieder einer sagt: Moment mal, hier stehe ich, ich kann nicht anders, dann darf er eben nicht mehr mitspielen. Wie retten wir dieses Land, wie beenden wir die Bildungsmisere, wenn keiner mehr zum Vorbild taugt? Eine das alles in den Schatten stellende Person ist seit geraumer Zeit Robert Habeck. Deutschlands Wirtschafts- und Klimaminister bei seiner Begegnung mit der Wirklichkeit zu beobachten, wirft die Frage auf, wem der promovierte Germanist und Kinderbuchautor seinen Grundkurs in Ökonomie verdankt. Er wirkt wie ein Welpe, der mit kindlicher Freude die Welt entdeckt. Tapst mal hier hinein, dann wieder dort, schnuppert an den Rosetten der Großen, pinkelt ihnen ab er nicht ans Bein. Dann schüttelt er sich, glotzt mit großen Augen und man hat ihn wieder lieb. Unser Wirtschaftshabeck irrte bereits im August 2020 im Zusammenhang mit dem Wirecard-Skandal in einem Interview über die Zuständigkeiten im Bund und sagte, dass die Anstalt für Finanzaufsicht etwa für das Prüfen von Handwerkerrechnungen zuständig sei. Im September 2019 offenbarte er mit Aussagen zur Pendlerpauschale ein paar kleinere Wissenslücken. Er gab damals wenigstens zu, sich bei dem Thema nicht gut auszukennen. In der Praxis zeigt uns der Wirtschaftsminister gern, dass er zwar keine Ahnung vom Ressort hat, aber dass seine Maßnahmen funktionieren. Es gibt ja immer Menschen, die eher für die Theorie zu gebrauchen sind, und andere brillieren in der Praxis. Habeck ist eher der Mann der Tat: Wir frieren für den Frieden, haben einen Waschlappen für oben und einen für unten, schalten die Heizungen in den Gängen aus, drosseln die Innenraumtemperatur auf 18 Grad, duschen warm nur noch bei Freunden und Bekannten, die Hartz 4 erhalten und laden dort auch unsere Handys auf. Werbelichter werden ausgeschaltet, die automatische Tür vom Einzelhändler bleibt zu. Der Russe geht ob unserer fanatischen Entschlossenheit in die Knie. Zwar nicht wegen der Wirtschaftssanktionen, dafür aber vor Lachen. Legendär ist Herr Habeck häufig im Fernsehen. Klingt komisch, ist aber so. Eine gewisse Frau Maischberger fragte: »Rechnen Sie mit einer Insolvenzwelle am Ende dieses Winters?« Habeck: »Nein, das tue ich nicht. Ich kann mir vorstellen, dass bestimmte Branchen einfach erstmal aufhören zu produzieren. Nicht insolvent werden, aber, ich meine ... Im Moment komme ich nicht mehr dazu, Brötchen einzukaufen, äh, geschweige denn, morgens in Ruhe zu frühstücken. Ich weiß aus alter Welt, dass die Brötchen bei Bäckern und die Brötchen in den Discountern ungefähr doppelt so teuer sind. Und wenn die Preise relativ steigen, dann erhöht sich der Abstand. Dann werden, das sehen wir jetzt überall, in Läden, die darauf angewiesen sind, dass die Menschen Geld ausgeben, Blumenläden, Bioläden, Bäckereien gehören dazu, dass die wirkliche Probleme haben, weil es eine Kaufzurückhaltung gibt. Dann sind die nicht insolvent automatisch, aber sie hören vielleicht auf zu verkaufen. Man würde dann insolvent werden, wenn man mit der Arbeit immer größeres Minus macht.«
Wir lernen daraus, dass Herr Habeck kaum noch in Ruhe frühstücken kann, dafür aber in einer neuen Welt lebt, denn er memoriert schon Sachen aus einer alten. Womöglich ist er unserer Zeit voraus und wir verharren noch immer in dieser alten Welt, die wir so sehr lieben und wiederhaben wollen. Kleiner Hinweis am Rande: Diese Zeiten sind vorbei. Es gibt sie auch nie wieder. Ich glaube, man muss diesen armen Mann in Schutz nehmen. Man kann sich nicht bei allen Sachen auskennen. Ein Philosophie-Ministerium gibt es leider nicht und der ungebildete Konsument erkennt gar nicht, dass Herr Habeck so etwas wie »Schrödingers Minister« ist, um es Ihnen mal aus seiner Welt heraus zu erklären. Wie der geneigte Bildungsbürger weiß, handelt es sich bei der ursprünglichen »Schrödingers Katze« um ein Gedankenexperiment, in dem das Tier gleichzeitig »lebendig« und »tot« ist. Dieser unbestimmte Zustand bleibt so lange bestehen, bis er von einem Beobachter untersucht wird. Dann erst wird die Katze auf einen der Zustände »lebendig« oder »tot« festgelegt. Also erst, wenn eine Beobachtung oder Messung durchgeführt wird, mit der man zwischen den beiden ursprünglichen Zuständen unterscheiden kann, nimmt das System einen Zustand von beiden an. Im Klartext heißt das für unseren Wirtschaftsminister im Sinne des neuen Phänomens »Schrödingers Minister«, dass er gleichzeitig »doof« und »schlau« ist. Erst bei einer Beobachtung – zum Beispiel in einer Talkshow – nimmt »Schrödingers Minister« einen der beiden Zustände an. Bei Frau Maischberger mit ihren profanen Allerweltsfragen zum Bankrott einer Nation, auf die Habeck gut verzichten kann, eben »doof«. Bei einem anderen Versuchsleiter – zum Beispiel ein Philosoph auf Augenhöhe, sagen wir Richard David Precht, der mit »Schrödingers Minister« über die transtemporale Identität bewusstseinsfähiger Wesen parliert hätte – ja dann, hätten wir den Zustand »schlau« gesehen.