Wie schade es sei, dass die Grabkultur sich so verändert hat in den vergangenen Jahrzehnten, gibt sie von ihrer Zeitung aufblickend kund, nachdem wir uns begrüßt haben. Gesprächseinstiege mit Ursel sind immer genauso – unvermittelt und sehr überraschend. Auch wenn wir uns schon mehrere Wochen nicht gesehen haben, knüpft das Gespräch scheinbar so an, als wäre ich nur kurz vor der Tür gewesen.Wie sie das meine, frage ich also nach und Ursel beginnt zu erzählen, dass sie die herrlich geschmiedeten Eisenkreuze vermisse, die nach und nach auf den hiesigen Friedhöfen in ihrer brandenburgischen Heimat verschwanden, weil die Gräber nur noch zwanzig Jahre bestehen blieben und dann neu vergeben wurden. Außerdem hatte sowieso niemand mehr Zeit, sich um aufwändige Grabstätten zu kümmern, und die meisten Leute ließen sich daher neuerdings ohnehin anonym bestatten. Obwohl man schließlich auch eine Seebestattung haben konnte. Denn einfach nur die Urne zu Hause in die Schrankwand stellen, durfe man in Deutschland letztlich nicht. Auch die Asche in den Wind zu streuen, wenn es der Verstorbene so gewünscht hatte, sei ein risikobehaftetes Unterfangen, denn man überlege sich nur einmal, trägt sie mit nachdenklicher Miene vor, dass man bei Wind dann alles in der Kleidung hängen hatte und wer würde dies schon wollen?! Trauer hin oder her! Ich lächle und finde es einmal mehr höchst charmant, mit dieser wunderbaren, hochbetagten Dame in den Diskurs zu gehen. Wir einigen uns schließlich, dass das Konzept eines Friedwaldes eine schöne Idee sei, denn damit wäre der Verstorbene immer noch Teil des Lebens. In der nächsten Zeit werden wir uns häufiger zusammenfinden, denn wir haben uns vorgenommen, genau darüber zu sprechen – über das Leben und all die guten und weniger guten Erlebnisse und Erfahrungen, die es bereithielt, wenn man bereits siebenundneunzig Jahre auf dieser Welt verbrachte.