»Ist das in Ordnung für Sie, wenn unser Mitarbeiter die fertigen Entwürfe morgen zu Ihnen bringt?« Ich hasse diese Floskel. Als wenn notwendige Angelegenheiten davon abhängig sind, ob sie für irgendjemanden ›in Ordnung‹ sind. »Und warum sagst du das dann?«, kann ich mir nicht verkneifen, zu räsonieren. Die Nachmittagssonne versieht die Papiere auf dem Arbeitstisch mit einer rotgoldenen Tönung; meine mickrige Sansevieria im Fenster mischt ihre Schattenlanzen dazwischen, was den staubigen Flächen Struktur verleiht. Abwischen, Cata, einfach mal abwischen! Eine Schande für den Arbeitsplatz einer Frau! War das jetzt mein Vater oder eher Leibinger, der unerträglich geworden ist, seitdem er probeweise zum Ressortleiter ernannt wurde? Hat mit seinen Intrigen den Puschner ausgestochen, obwohl der hundertmal besser geeignet ist – in jeder Hinsicht. Gib einem kleinen Geist mehr Macht und er wird seine Mittelmäßigkeit (auf den erweiterten Spielraum) ausdehnen.Meine Haut spannt auf Stirn und Nasenrücken, Zeit für etwas Creme. Ich verwahre sie immer in einer Stiftemappe, damit nicht jeder sieht, dass ich auf dem Weg zu den Waschräumen bin, um mich aufzumöbeln. Die Dateien sichern, alles schließen, was niemanden etwas angeht und zu Karla hinüberlächeln, die schon fragend guckt. Ja, ich bin fertig mit dem Projekt. Endlich. Ich nicke ihr bekräftigend zu. Wir sind fast die einzigen Frauen hier, zumindest in diesem Ressort. Sie wird mir sicher gleich folgen. Berner telefoniert lauthals, erzählt einen Witz, als wäre er allein hier und ohne große Eile stehe ich auf und gehe zum Ausgang der ausgedehnten Büroetage, auf der wir alle sitzen. Die Schuhe drücken. War doch nicht so sinnvoll, sie im Büro einlaufen zu wollen. Schultern zurück und die Gesichtszüge sortieren. Über den Platz tönt das Glockenspiel der Basilika. Vom Lärm der Stadt bekommen wir nichts mit, aber diese Klänge erreichen uns trotz der Doppelscheiben. Im Vorraum zu den Toiletten ist niemand und ein Blick in den Spiegel verrät mir, dass es auf den Abend zugeht. Warum nur stellt sich keine Genugtuung ein? Ich habe die Kuh vom Eis geholt, der Auftraggeber wird morgen völlig aus dem Häuschen sein und Leibinger ist eine Sorge los. Klar, jede Idee ist erwartungsgemäß von ihm und bei den Gesprächen dominiert seine Präsenz. Doch die Kunden merken, wer sich auskennt. Nur sitzt am Ende er auf dem Podium und kassiert die Zufriedenheit und das Lob von Bernreiter, unserem CEO. Aber morgen, da darf zunächst ich glänzen. Wenn wir den Zuschlag bekommen, springt vermutlich etwas für mich heraus? zumindest die Projektleitung könnte ich ergattern. Endlich mal eine Sache in einem Stil durchziehen, der mir taugt und zum Ganzen passt. Ich trage Creme auf, hat kaum was gekostet, ist aber besser als die Nobelmarken. Jetzt etwas, um das Glänzen zu nehmen. Ein Segen, dass mein Haar nicht mehr lang ist. Bedächtig löst sich die Spannung, und die größte Freude für heute rückt immer näher: Ich werde Karl abholen, der drei Tage bei der Katzensitterin auszuharren hatte, wegen meines Workshops. Ich sehe sein Gesicht mit den vorwurfsvollen Augen vor mir – dieser Kater ist ein genialer Manipulator. Jedes Mal! Ach, der Lidschatten. Kosmetiktuch. Okay.